Ist „zwischen den Jahren“ nicht eine
merkwürdige Redewendung? Das hört sich nach einer großen Zeitspanne an, beschreibt aber im Grunde lediglich die wenigen Tage zwischen Weihnachten und Neujahr. Es ist eine gesetzlose Zeit, in
der man schnell mal vergisst, welcher Wochentag ist. Das Essen wird entweder ganz ausgelassen oder um weitere Zwischenmahlzeiten erweitert und Weihnachtsplätzchen müssen in dieser Zeit zwingend
bis Silvester vernichtet werden, weil man sich schließlich ab Neujahr wieder ganz strikt, gesund und möglichst zuckerfrei ernähren möchte. Es ist eine allgemeine Urlaubszeit, in der Resturlaub
oder Überstunden abgebaut werden und mit der Brücke der Weihnachtsfeiertage eine schöne Auszeit entsteht. Auch ich hatte die letzten drei Tage aus meinem Überstundenpool frei genommen und somit
seit dem 24. Dezember die Arbeit ruhen lassen. Weihnachten war dieses Jahr noch entspannter als sonst. Ich habe mich vor vielen Jahren schon gegen den kollektiven „Weihnachtsstress“ entschieden
und irgendwann beschlossen, dass nichts muss und alles darf. Ich hetze nicht von einem Treffen zum nächsten. Ich muss es nicht jedem Recht machen, ich habe gelernt, „nein“ zu sagen und mindestens
einen der Festtage gemütlich zu Hause zu verbringen. Es muss auch kein Fünf-Gänge-Menü mehr sein. Wir essen, worauf wir Lust haben und lassen es uns einfach gut gehen. Daraus entstand sogar eine
kleine Tradition. Ich hatte vor zehn Jahren Kartoffelsalat und Lachs an Heiligabend serviert, weil ich mich wahnsinnig darüber geärgert hatte, dass das große und aufwändige Menü vom Vorjahr aus
meiner Sicht nicht genug gewürdigt wurde. 2009 stand ich Stunden lang in der Küche, hatte nur die allerbesten Zutaten besorgt und erntete dafür nicht annähernd die Reaktionen, die ich mir erhofft
hatte. Und siehe da, im Jahr darauf wurde mein Kartoffelsalat mit Räucherlachs, Eiern, Gürkchen und Remoulade mit einem Stück gegrillten Lachsfilet in den höchsten Tönen gelobt, alle waren
begeistert, wollten Nachschlag und fanden dieses „Weihnachtsessen“ extrem gelungen. „Na dann, wenn es weiter nichts ist, sollt ihr das gerne nächstes Jahr wieder haben“, dachte ich bei mir. Im
Vertrauen: mir hatte es übrigens selbst auch besser geschmeckt als das Luxus Menü vom Vorjahr ;-) Seit dem 24. Dezember 2010 gibt es bei uns zu Hause also jedes Jahr zu Weihnachten Lachs mit
Kartoffelsalat. Das lässt sich super vorbereiten, ist wenig aufwändig, der ganzen Familie schmeckt es hervorragend und alle sind zufrieden. Auch an Weihnachten 2020 durfte unser Traditionsessen
natürlich nicht fehlen, es war wie immer köstlich. Wegen der Kontaktbeschränkungen hatten wir uns dieses Jahr entschieden, Weihnachten nur mit den Eltern meines Mannes zu feiern. Mit meiner
Familie haben wir einen Video-Umtrunk organisiert. Da konnte jeder gemütlich auf dem heimischen Sofa oder in der eigenen Küche sitzen und wir haben über den Bildschirm angestoßen, gesungen und
erzählt. Mit meinen Schwiegereltern hatten wir in diesem besonderen Jahr wirklich ein ruhiges Weihnachtsfest. Zum ersten Mal waren wir alle tiefenentspannt. Als unser Sohn klein war, hat er immer
für ordentlich Treiben gesorgt, die letzten Jahre war es dann die pflegebedürftige und demente Großmutter meines Mannes, die vor allem meine Schwiegermutter ganz schön auf Trab hielt. Die Oma
lebt seit Februar nach einem folgenreichen Sturz und einem gebrochenen Oberschenkelhals im Pflegeheim und unser Kind ist mit fünfzehn Jahren inzwischen so still und wortkarg, dass er nicht
laufend die Gespräche unterbricht. Wir hatten nach dem Abendessen an Heiligabend und der gemeinsamen Bescherung tiefgründige Gespräche bis tief in die Nacht und nach einer Übernachtung im
Elternhaus ein gemütliches Frühstück und Mittagessen. Wir hatten uns vor den Festtagen alle lange genug selbst isoliert, um das Risiko einer Ansteckung mit dem Corona Virus auszuschließen und uns
endlich, nach so langer Zeit, mal wieder in die Arme nehmen zu können. 2020 hat uns trotz Distanz näher zusammen gebracht. Wir schätzen die gemeinsame Zeit noch mehr. Wir sind dankbar, dass wir
bisher noch alle gesund geblieben sind. So viele Freunde, Kollegen und Bekannte haben sich bereits mit dem Virus infiziert und nicht alle Erkrankungen verliefen harmlos. Manch einer kämpft noch
immer mit Kurzatmigkeit und dem Verlust von Geruch und Geschmackssinn. Auch drei Todesopfer gab es im Freundes- und Bekanntenkreis zu beklagen. Ihren Angehörigen gilt mein tiefstes Mitgefühl.
Erst heute Nacht ist der Vater einer lieben Freundin an den Folgen von Covid-19 verstorben. Es macht mich unfassbar traurig, dass es immer noch unbelehrbare Corona-Leugner gibt, die ihre
Mitmenschen mit ihrer Rücksichtslosigkeit in Gefahr bringen. Natürlich hat es jeder von uns ein Stück weit selbst in der Hand, ob und wie er sich der „Gefahr“ aussetzt. Allerdings auch nur
begrenzt. Ich treffe zwar seit Ende Oktober keine Freunde, Kollegen, Nachbarn oder Verwandten (mit Ausnahme meiner Schwiegereltern) mehr, aber irgendwann muss ich dann doch zum Einkaufen raus und
bin jedes Mal aufs neue schockiert, wieviele Menschen die Maske immer noch unter der Nase tragen oder die Abstände zu ihren Mitmenschen nicht einhalten. Ich wünsche mir sehnlichst, dass diese
schreckliche Krise bald überstanden ist. Dass wir alle wieder unseren Mitmenschen mit Freude und ohne Angst vor Ansteckung begegnen können. Ich wünsche mir fröhliche Feste, innige Umarmungen und
Gespräche mit echtem Augenkontakt. Ich sehe Licht am Ende des Tunnels. Wir müssen uns zwar noch eine Weile gedulden, aber ich bin mir sicher, dass die Zeit zwischen den Jahren 2021 mit sehr viel
mehr Optimismus und Fröhlichkeit einhergehen wird. Ich wünsche es mir. Von ganzem Herzen. Kommt gesund ins neue Jahr ihr Lieben. Passt gut auf euch auf und verliert nicht euren Glauben an bessere
Zeiten und bleibt mutig. Au Revoir 2020. Guten Rutsch.