Mit jedem weiteren Tag, der auf dem Weg in Richtung Jahresende verstreicht und in der die Sonne ein klein wenig früher hinter dem Horizont verschwindet, ertappe ich mich bei dem Gedanken, dass ein langer gemütlicher Winterschlaf vielleicht gar nicht die schlechteste Methode wäre, um den bevorstehenden Winter zu überbrücken. Alles auf Pause und bitte erst wach werden, wenn wieder alles normal ist. Doch was ist schon normal? Unsere Welt, wie wir sie noch bis zum Beginn des Jahres kannten, hat sich für alle Menschen rund um den Globus verändert. Unser Alltag hat inzwischen mit dem des Vorjahres tatsächlich nur noch sehr wenig gemein. Wir halten Abstand, tragen Masken und wann immer möglich, bleiben wir zu Hause. Die Alltagsregeln der Corona Pandemie haben bei den meisten Mitmenschen inzwischen einen gewissen Grad an Normalität erlangt. Man gewöhnt sich eben an fast alles. Unsere Kolleginnen und Kollegen sehen mein Mann und ich seit März nur noch virtuell im Rahmen von Videokonferenzen. Digitalisierung sei Dank konnte unser gemeinsamer Arbeitgeber die meisten Tätigkeiten recht schnell ins Homeoffice verlagern, um so die Gesundheit der Mitarbeitenden und deren Familien zu schützen. Ich habe mir zu Beginn der Pandemie ehrlich gesagt sehr schwer getan, bei dem Gedanken, für mehrere Wochen Tag ein, Tag aus von zu Hause zu arbeiten. Bereits nach kurzer Zeit hatte ich große Sehnsucht nach den sozialen Kontakten im Büro, mir fehlten die gemeinsamen Mittagspausen in der Kantine, die täglichen Schwätzchen an der Kaffeemaschine und die vielen netten kleinen Begegnungen beim Durchqueren des Gebäudekomplexes. Doch alles Jammern half ja nichts, wir mussten schließlich alle durch diese Krise und so habe ich selbstverständlich auf die Zähne gebissen und ganz optimistisch nach vorne geschaut. Dass jedoch aus den anvisierten Wochen inzwischen acht lange Monate geworden sind, hätte zumindest noch im Frühling niemand für möglich gehalten. Und auch an diese Normalität habe ich mich zwischenzeitlich ganz gut gewöhnt. Der zu Beginn noch notdürftig eingerichtete Arbeitsplatz am Esszimmertisch wurde bereits nach sechs Wochen durch ein teilintegriertes Büro im Fitnessraum unseres alten Stadthauses ersetzt. Kaffeepausen und Mittagessen finden jetzt eben in der heimischen Küche statt, meistens zu zweit, während der Junior seit August wieder am Präsenzunterricht in der Schule teilnehmen darf. Unsere Ehe hat zum Glück durch die Zwangsnähe bisher in keinster Weise gelitten und unser Rudeltier ist der glücklichste Pudel der Welt, seit Herrchen und Frauchen rund um die Uhr an seiner Seite zu Hause sind. Wir haben uns mit der neuen Situation erstaunlich gut arrangiert und unser Leben insgesamt ziemlich entschleunigt. Und das, obwohl ich seit Beginn der Pandemie deutlich mehr arbeite. Aber, die täglichen Wegstrecken zur Firma entfallen, ich treffe mich viel seltener mit Freundinnen und kaufe nur noch einmal pro Woche Lebensmittel ein. Wir gehen kaum noch aus, laden seltener Gäste ein und verzichten auf den Besuch des Fitnessstudios. Gefällt mir das? Nein definitiv nicht, denn ich bin ein sehr geselliger Mensch. Aber ich bin auch sehr solidarisch und ich möchte meine Mitmenschen nicht in Gefahr bringen, deshalb bemühe ich mich, meine eigenen Bedürfnisse zum Wohl der Allgemeinheit zurückzustecken. Im Sommer jedoch haben wir uns dann wieder öfter mal im Freien mit lieben Freunden und der Familie getroffen. Jede noch so kurze Begegnung wurde mehr denn je von mir zelebriert. Nach Monate langer sozialer Distanz und den extrem strengen Ausgangsbeschränkungen in unserer französischen Wahlheimat, war ich überglücklich, liebe Menschen endlich wieder ohne Maske treffen zu dürfen, im kleinen Kreis zusammen zu sitzen oder einfach nur einen Kaffee oder ein Glas Wein im Außenbereich unserer Lieblingslokale, auf der heimischen Terrasse oder im Garten zu genießen. Nachdem wir uns von Mitte März bis Mitte Mai nur in einem Radius von einem Kilometer von unserem Haus weg bewegen durften, war ich so dankbar für die Möglichkeit, wieder auf meinen geliebten Drahtesel zu steigen und lange Fahrradtouren entlang des Flussufers zu unternehmen. Mit wärmenden Sonnenstrahlen auf der Haut und einem angenehmen frischen Fahrtwind, der die Atemwege so herrlich frei pustete, war ich überglücklich. Wir konnten wieder ausgiebig mit dem Hund spazieren, ohne darauf zu achten, wie weit oder wie lange wir dabei unterwegs sind. Wir durften das Haus verlassen, ohne einen triftigen Grund auf einem offiziellen Passierschein vorzuweisen und durften uns endlich wieder frei zwischen der Deutsch-Französischen Grenze bewegen. Ich habe jede Sekunde genossen und während dieses wunderbaren Sommers 2020 habe ich unglaublich viele schöne Erlebnisse gehamstert. Mir war klar, dass der Herbst und Winter wieder mit mehr Einschränkungen einhergehen wird, dass eine zweite Infektionswelle die Menschen erneut zu mehr Abstand zwingt. Und seit einigen Wochen steigen nun täglich die Zahlen der Neuinfizierten, die zweite Welle ist längst da und mit ihr ein weiterer Lockdown in Deutschland und eine zweite ebenso strenge Ausgangssperre in Frankreich. Auch die Ausgangsbescheinigung ist wieder auszufüllen, wenn wir einmal am Tag für maximal eine Stunde und nur einen Kilometer vom Haus entfernt, das kleine Hündchen ausführen. Bei momentan noch wunderschönen spätherbstlichen Temperaturen um die fünfzehn Grad und Sonnenschein, genießen wir es, draußen unterwegs zu sein, wenn auch nur für sechzig Minuten pro Tag. Ich hamstere also weiter schöne Erlebnisse und Sonnenstrahlen, ich tanke noch einmal kräftig Vitamin D, bevor der Winter uns dann noch mehr zu einem Rückzug in die eigenen vier Wände zwingt. Dort werde ich es mir dieses Jahresende ganz besonders heimelig machen. Die Dekoqueen in mir wird sich für die bevorstehende Weihnachtszeit mehr denn je austoben. Auch wenn ich keinen Winterschlaf halten kann, werde ich von meinen schönen Erinnerungen in der bald kommenden Jahreszeit zehren. Während sich manche Hamsterbacke über seinen prallen Vorrat an Klopapier erfreut, werde ich mir die Zeit nehmen, mit meinen Liebsten zu telefonieren. Ich werde weiter fleißig am Manuskript meines ersten Romans schreiben und weitere Beiträge für Euch in meinem Blog verfassen. Der zweite Band meines Kinderbuches befindet sich ebenfalls schon im Entwurf. Es wird mir also neben meinem Job, dem ich ja auch weiterhin tagsüber nachgehen werde, gewiss nicht langweilig werden. Und wenn die Sehnsucht nach Familie und Freunden mich allzu sehr quält, werde ich an die schönen gemeinsamen Augenblicke denken und weiß, dass eines Tages wieder eine bessere Zeit kommt. Eine Zeit, in der wir uns alle wieder in die Arme schließen können, eine Zeit, in der hoffentlich nichts und niemand mehr hamstern muss. Mit Ausnahme schöner Momente, kostbarer Augenblicke, friedlicher Gedanken und ganz viel Zuversicht – hier ist hamstern ausdrücklich erlaubt. Kommt gut durch den Winter und bleibt gesund. Eure Nicole